Unsere Chronik

Gründung

Wie war es, was war 1896?

 

Es war Frieden. Es war das Zeitalter des industriellen, maschinellen Aufschwungs, es ging die Furcht vor diesen Maschinen um, die Furcht vor der Zerstörung der Arbeitsplätze. Aber, wie wir heute wissen, hat diese Furcht erst jetzt, 100 Jahre später, wohl eher eine Berechtigung. 1896 war auch die Zeit der großen Erfindungen und Entdeckungen. Was letztere anbelangt, haben wir inzwischen mit einem Namen unangenehme Bekanntschaft gemacht, u.z. entdeckte 1896 Monsieur Becquerel die radioaktive Strahlung, während Röntgen die X-Strahlen, Ehrlich die Chemotherapie und Hertz die elektrischen Wellen gerade kannten. Es gab den 1. Kunststoff, Herr Daimler fuhr bereis Motorrad und Herr Benz mit dem Auto, währen Graf Zeppelin sich auf seine 1. Fahrt mit dem Luftschiff freute. Um das Bild abzurunden sei noch erwähnt, dass 1896 unser Bürgerliches Gesetzbuch verabschiedet und die Olympischen Spiele neu begründet wurden.

 

Im Deutschen Reich regierte Kaiser Wilhelm II. und in Bayern hatte Prinzregent Luitpold die Regentschaft übernommen.

 

Unsere Martgemeinde hatte 1896 1.755 Einwohner. Erwerbsquellen waren neben Gewerbe und Landwirtschaft vor allem die Flößerei. Letzteres können Sie ermessen, wenn ich Ihnen sage, dass 1896 5.000 Flöße nach München, davon 200 bis zur Donau gefahren sind.

 

Eine gewisse Verdrängung der Flößerei, aber einen gewaltigen Aufschwung des Fremdenverkehrs - es wurden in der Zeit eine Reihe von Gaststätten, Hotels und Cafes gebaut - brachte der Bau der Isartalbahn. Sie hieß Lokalbahn A.G. und war die 1. private Eisenbahn in Europa und auch die 1. Lokalbahn, die in Europa in eine Hauptstadt furh. Auch hier noch eine Zahl, die die Bedeutung dieser Bahn unterstreicht. Am 1. Pfingstfeiertag 1986 beförderte sie 30.902 Passagiere.

 

Das Vereinsleben in Wolfratshausen florierte bereits, es gab u.a. den Kath. Gesellenverein, die Sängerzunft, den Turn- und Feuerwehrverein und, was weniger bekannt sein dürft, seit 1869 einen Verschönerungsverein Wolfratshausen, sozusagen eine Vorläufer unseres Jubilars.

 

Der Verein war so verdienstvoll, dass unsere Stadt nach dessen Vorsitzenden den Eichheimweg benannte.

 

Nun gab es aber zwei echte Vorgänger unseres Garten- und Verschönerungsvereins. Zunächst den am 3. Mai 1894 gegründeten Bezirksbienenzuchtverein und die Sektion für Obstbaumzucht des landwirtschaftlichen Bezirksvereins, der schon länger Zeit bestand.

 

In der 10. Versammlung dieses Bienenzuchtvereins am Palmsonntag 1896 im Gasthof zur Alten Post beantragte nun dessen Vorsitzender Michael Schmettan, seinen Verein
mit der genannten Sektion zusammenzulegen.

 

Nachdem auch der 2. Vorsitzende des landwirtschaftlichen Bezirksvereins zugestimmt hatte, wurde die Vereinigung vollzogen und der neue Verein erhielt den Namen "Bezirksbienen- und Obstbaumzuchtverein, Sektion des landwirtschaftlichen Bezirksvereins Wolfratshausen".

 

Vorstand blieb zunächst Michael Schmettan, bis 1897 der Lehrer Alexander Weber aus Holzhausen zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Der Verein zählte zunächst 44 Mitglieder, 1905 waren es dann schon 131.

 

Ein Name muss aber noch erwähnt werden, es ist der Bäckermeister Georg Bartl, der das Amt der Kassiers schon 1894 übernommen hatte und es bis 1913 weiterführte.

 

1906 gab es einen neuen Vorsitzenden. Es war der allseits bekannte Lehrer Josef Schnellrieder, der auch die Wolfratshausen-Chronik verfasste.

 

Vier Versammlungen wurden regelmäßig nach wie vor an Sebastiani, am Palmsonntag, im Sommer, diese jeweils in einer anderen Gemeinde, und im Herbst abgehalten, dazu kamen zahlreiche Bienenzucht-, Obstbaum- und Obstverwertungskurse. Besonders 1909 war ein sehr aktives Jahr mit einem großen landwirtschaftlichen Bezirksfest.

 

Umso unverständlicher ist es, dass damit die Berichterstattung unterbrochen ist bis Januar 1913. Es folgen dann noch 2 ausführliche Berichte über Versammlungen und über die Neuwahl der Vorstandschaft, wobei der Bezirksgärtner Andreas Stumpf als Beisitzer gewonnen werden konnte, aber dann bleibt das Protokollbuch leer. Durch Neugründungen in verschiedenen Gemeinden reduzierte sich die Mitgliederzahl zwar von 107 auf 78, ob das allein der Grund für den Stillstand war, ist fraglich. Es rückte allerdings auch der 1. Weltkrieg näher.

 

Erst 1920 wird das Protokollbuch weitergeführt und beginnt mit einer Generalversammlung im Februar in der Alten Post, in der nun der bisherige Kassier Georg Bartl zum Vorsitzenden gewählt wird. Dank der tatkräftigen Unterstützung durch Herrn Bezirksgärtner Stumpf etablierte sich der Verein sehr rasch und hatte 1923 167 Mitglieder.

 

Doch schon bald kam eine neue Schwierigkeit auf den Verein zu, die schleichende Inflation. Anfang 1923 reichte der Kassenbestand nur mehr für 1/4 Liter Bier, aber nicht mehr für eine
Versammlungseinladung im Wolfratshauser Wochenblatt, sodass von den 167 Mitgliedern nur 6 erschienen. So entschloss man sich, den Vereinsbeitrag auf 500,- Mark heraufzusetzen, sodass dann 47.000,- Mark eingingen. Bis zur Geldumstellung hatten sich 7.038.450,- Mark angesammelt, die bei der Landwirtschaftsbank zinslich angelegt waren und dann an dem bewussten 23.12.1923 mit 1 Rentenmark vorgetragen wurden.

 

Aber der Verein erholte sich sehr schnell und konnte sich wesentlich an der großen Bezirkslandwirtschafts- und Gewerbeschau vom 11.-14. Oktober 1924 beteiligen. 200 Aussteller hatten Obst, Gemüse und Blumen gezeigt. Es sollen an den 4 Tagen 40.000 Besucher in
Wolfratshausen gewesen sein, davon 5.000 bei einem Pferderennen und das bei einer Einwohnerzahl der Marktgemeinde von rund 2.500 Personen.

 

1927 wurde für den erkrankten Herrn Bartl wiederum Herr Josef Schnellrieder zum 1. Vorsitzenden gewählt, 2. Vorsitzender und Schriftführer wurde Herr Fritz Bauereis sen. und Kassier Gärtnermeister Otto Schuck, die alle schon seit 1925 dem Ausschuss angehörten.

 

Die Aktivitäten gingen weiter, wesentlich unterstützt durch Herrn Stumpf, dem Gründer der Firma Wolfra.

 

Aber schon bald erlosch der Stern des Vereins, wie auch der anderen Vereine. Der Nationalsozialismus übernahm die Macht, die sogenannte Gleichschaltung der Vereinigungen begann. Die letzte ordentliche Eintragung 1933 schloss mit der lapidaren Mitteilung, dass bei Herrn Stumpf Vogelfutter, das Pfund zu 8Pfg. zu haben sei. In der 100jährigen Geschichte spielte der Vogelschutz auch immer eine große Rolle.

 

In der Folgezeit wurden dann alle Bienenzucht- und Gartenbauvereine zunächst getrennt. 1937 gibt es dann eine letzte Eintragung, die besagt, dass der Bezirksverein Wolfratshausen am 13.11.1937 im Hofbräuhaus in München mit den Vereinen München und Ebersberg zu einem Kreisverband München zusammengeschlossen worden ist. Der Verein ist bis lange nach Kriegsende zwangsweise stillgelegt.

 

Es dauerte geraume Zeit bis auch das Vereinsleben nach dem 2. Weltkrieg wieder in Schwung kam, denn nach den schlechten Erfahrungen im 3. Reich war die Scheu, einem Verein beizutreten, groß. Erst 1952 kamen auf Initiative des Kreisgartenbauinspektors Luitpold Friedmann die Gartenfreunde der Marktgemeinde zusammen, um an Christi Himmelfahrt in der Gaststätte "Glashütte" den Obst- und Gartenbauverein wieder ins Leben zu rufen.

 

Auf Anhieb hatten sich 33 Mitglieder eintragen lassen. Als Vorsitzender stellte sich Herr Josef Petz zur Verfügung, der im Obermarkt ein Geschäft für Bienenartikel führte, und 2. Vorsitzender wurde Fritz Bauereis, diesmal jun.

 

Es entwickelten sich im Laufe der nächsten Jahre mit tatkräftiger Unterstützung von Herrn Friedmann und vom damaligen Kreisvorsitzenden Herrn Stumpf eine Reihe von Aktivitäten, also Lehrfahrten, Lichtbildervorträge, Kurse, Blumenschmuckwettbewerbe usw.. Aber so richtig in Schwung wollte der Verein nicht kommen, was meinen Vater zu dem Antrag veranlasste, die Bienenzüchter und Gartenfreunde sollten sich wieder zu einem Verein zusammenschließen, zumal Herr Petz gleichzeitig Vorsitzender des Bienenzuchtvereins und es selber dessen Kassier war. Der Antrag wurde zwar von der Versammlung lebhaft befürwortet, aber zu einer Vereinigung kam es nicht.

 

Obwohl in einem Bericht vom 16.03.1955 von einer gut besuchten Versammlung und einigen Neuaufnahmen die Rede ist, war dies auch gleichzeitig der letzte Eintrag im Protokollbuch.

 

Der plötzliche Tod des Herrn Friedmann und die dadurch fehlende technische Initiative war wohl der Grund für die abrupte Einstellung der Vereinstätigkeit. Was übrigens die Zusammenarbeit der beiden Vereine betrifft, so ergibt sich seit einiger Zeit insofern eine günstige Konstellation, als ein sehr rühriges Mitglied unseres Vereins auch Vorsitzender des Imkervereins Wolfratshausen ist. Es ist Herr Johann Heckel. Der Verein bekunde auch sein Interesse an einer weiteren guten Zusammenarbeit.

 

So tritt also wieder eine Pause in der Vereinstätigkeit ein. Diese dauerte acht Jahre. Und wieder war es ein Kreisgartenbauinspektor; Herr Ludwig Graßler, der die Initiativer ergriff, so dass der Isar-Loisachbote melden konnte: "Gartenbauverein aus Dornröschenschlaf erwacht."

 

Am 22.03.1963 gelang im Gasthof Haderbräu die Wiederbelebung mit Herrn Winfried Wanner als 1. und Herrn Karl Rehäuser als 2. Vorsitzenden, Herrn Eberle als Kassier und Frau Lilli Fechner, der Ehefrau des langjährigen Redakteurs des Isar-Loisachboten, als Schriftführerin.

 

Von da ab ging's bergauf. Es begann mit 35 Mitgliedern und heute sind es bereits 171.

 

Bisher waren Obst- und Gartenbau, aber auch die Bienenzucht sozusagen Selbstzweck, denn die Produkte waren ein Teil der täglichen Nahrung zum Leben oder Überleben, während heute das zwar auch noch Nützliche, aber mit dem Angenehmen, nämlich dem Hobby, verbunden wird.

 

Das Vereinsleben wurde durch die verschiedensten Kurse, Lehrgänge, Lehrfahrten, Ausstellungen, Vorträge und praktische Tätigkeiten neu aktiviert.

 

Was aber einen Verein besonders zusammenhält, das sind die geselligen Veranstaltungen, Blumenbälle, Ausflüge, Erntedankfeste, Weihnachtsfeiern und Faschingsveranstaltungen. Dies alles ist natürlich mit einem Riesenaufwand an Arbeit verbunden. Aber glücklicherweise fanden sich immer wieder Frauen und Männer, die tatkräftig mit Hand anlegten und die auch Funktionen übernahmen.

 

So konnten bei der Wahl 1971 für den zurückgetretenen Herrn Wanner, Herr Ernst Winklmeier, ein echter Fachmann, und Herr Georg Ruml als 2. Vorsitzender gewonnen werden. Eine Verjüngung der Vorstandschaft erfolgte dann 1977, als Herr Siegfried Gros den Vorsitz und Herr Günther Lanzner den Posten als Kassier übernahmen. Als gärtnerischer Fachmann hatte sich auch bald Herr Reinhard Benke im Verein einen Namen gemacht.

 

Aber auch bei unserem Verein konnte man auf die Frauen, die ja längst ein wesentlicher Faktor waren, auch in der Vorstandschaft nicht mehr verzichten. Und so wurde Frau Lotte Geiss, die schon seit 1986 2. Vorsitzende war, 1995 als 1. Vorsitzende gewählt. Seitdem führte sie mit Umsicht und Geschick, aber auch mit Charme den Verein. Am 22.06.1996 fanden in der Loisachhalle Wolfratshausen die Feierlichkeiten zur 100-Jahrfeier statt.